Katzen in Gläsern

Man nehme: Ein Glas, eine junge Katze. Rein mit dem Tier, rektal ernähren - und heraus kommt eine nach Kundenwünschen geformte Bonsaikatze. Das FBI ermittelt. Im Ernst.
von Frank Patalong

Wer hat je behauptet, Deutschland sei das einzige Land der Welt, wo man "Vorsicht Satire" quer über den Bildschirm pappen muss, wenn man irgendetwas nicht ernst meint? Seit mehreren Wochen kocht die Debatte um die amerikanische Website Bonsaikitten.com immer höher. Nun strebt das Drama um die "Tierquäler-Website" dem Höhepunkt entgegen: Das FBI ermittelt.

Nachdem die seltsame kleine Website im Dezember letzten Jahres von einigen Tierschutzverbänden entdeckt wurde, häuften sich die Proteste. Die "Humane Society of the United States" erhob lautstark Einspruch gegen die Bonsaikatzen, und das Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo die Website zunächst "gehostet" wurde, nahm sie vom Netz. Bonsaikitten.com wechselte zum nächsten Serviceprovider, Tierschützer und Humanisten auf den Fersen. Nach einem Tag war die Website wieder offline - nur, um wenige Wochen später wieder aufzutauchen.

Den Medienberichten über die "Flucht" und die "Sünden" der Katzenquäler folgten Protest-E-Mail-Aktionen, die sich an die Betreiber, aber auch an Medien in aller Welt richteten. Auch SPIEGEL ONLINE erreichten so einige: Wir verwiesen darauf, dass Bonsaikitten.com eine Satire-Website sei - und verzichteten darauf, das Thema aufzunehmen, denn geschmackvoll ist die Seite nun wirklich nicht.

Und was zeigt Bonsaikitten, dass man sich derart darüber erregen müsste? Mehr oder weniger das, was man auf vielen Bonsai-Seiten zu sehen bekommt: Methoden, wie man ein Lebewesen, das zu größerem Wuchs bestimmt ist, erstens klein hält und zweitens in eine Form bringt, die sich der jeweilige Kunde wünscht. Nur geht es hier nicht um Bäume, sondern um Katzen.

Endlich: Quadratische Katzen

Die, sagt Bonsaikitten, muss man natürlich auch ernähren. Das geschieht über rektal in die Katze eingeführte Schläuche, die sich eng in ein Glasgefäß gepresst befindet und folglich an der Nahrungsaufnahme weitgehend gehindert ist. Die Fäkalien sind täglich zu entfernen, weil sich sonst das Glas füllt, informiert Bonsaikitten - und man sollte keinesfalls vergessen, auch ein paar Atemlöcher zu bohren, weil man sonst am Morgen "eine kalte und harte Katze findet".

Befolge er jedoch diese elementaren Anweisungen treulich, erhalte der Kunde am Ende eine vollständig quadratische Katze, was wirklich ungewöhnlich ist und sicherlich den Neid der Nachbarn wecken wird. Süß. Und Stoff, über den man sich tierisch erregen kann. Die Debatte wird auch im Web geführt, wo in Foren immer häufiger über "bk.com" diskutiert wird. "Die Gefahr besteht", schreibt ein Diskutant in einem Yahoo!-Forum zu Bonsaikitten, "dass die Website irgendwelche Idioten inspiriert, das zu Hause auszuprobieren!"

Antwortet ein Bonsaikatzen-Fan: "Wenn du dir die Seite ansehen würdest, dann hättest du längst etliche Punkte gefunden, an denen klar zu lesen steht, dass man eine Bonsaikatze nur mit einer gültigen Katzenkultivierungs-Lizenz und zugelassenen Pyrex-Katzenformungs-Gläsern anlegen darf. Den Vollidioten würde ich gern kennen lernen, der sich bei einer US-Behörde um eine Katzenkultivierungs-Lizenz bemüht".

Antwort: "Ich würde es einfach vorziehen, wenn auf der Seite eine Warnung stünde, dass dies alles ein Scherz ist und nicht ausprobiert werden sollte."

Kurzum: Die Kritiker fordern ein "Vorsicht Satire"

Sicher, all das ist ungeeignet für Kinder unter zehn, die so etwas tatsächlich versuchen könnten, sicherlich deutlich jenseits der Grenzen des guten Geschmacks - aber ansonsten eigentlich harmlos. Die Katzen stecken nicht wirklich in Gläsern: Dahin hat sie eine Fotobearbeitungs-Software befördert. Bonsaikitten.com geht - man ahnt es - auf einen dämlichen Studentenscherz zurück und steht in der Internet-Tradition so berühmter Seiten wie der Website der Gummibärchen-Quäler.

Die angeblich angebotene Dienstleistung, in Kundenauftrag Bonsai-Katzen nach Wunsch zu produzieren, findet sich nirgendwo auf der Website: Es gibt weder Bestelladressen noch Preislisten. Das einzige, was fehlt, wäre ein grell-neongrün flackernder Schriftzug "Vorsicht (fiese) Satire".

Wie gut diese funktioniert, beweist nun das FBI. Auch die "Feds" vermissten den Schriftzug und nahmen das Angebot darum beamtisch bierernst. Die Schlagzeilen prangten am Montagmorgen auf zahlreichen amerikanischen Zeitungen: "Das FBI ermittelt gegen Bonsaikitten".

Nervenzerfetzend, dieser Kriminalfall. Zumindest der Betreiber der Website, ein Student, der unter dem Pseudonym "Dr. Michael Wong Chang" auftritt, zeigt sich derzeit ziemlich entnervt: "Ich dachte wirklich, dass das FBI Besseres zu tun hätte. Da sieht man mal, was mit unseren Steuergeldern passiert". Das Bostoner FBI-Büro hat mit der Untersuchung des "Falles" begonnen und dem MIT eine einstweilige Verfügung zukommen lassen, die das Institut dazu zwingen wird, die Identität von "Michael Wong Chang" offen zu legen. Spätestens Dienstag wird der MIT-Student eine internetweit bekannte Figur sein.

"Wong Chang" verteidigt sich damit, all das sei ja erstens doch nur ein Scherz, und zweitens durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die Website sei nur entstanden, um den vehementen Widerspruch von Katzenliebhabern hervorzurufen. Von deren Hassmails lebt die Website: Die Leserbriefe sind das eigentliche Kernstück des Angebotes. Selbst die Tierschützer und Humanisten haben längst begriffen, dass Bonsaikatzen kein ernst zu nehmendes Angebot ist. Doch das ändert an ihrem Standpunkt wenig: Auch Scherze mit Tierquälerei sollte man nicht treiben. Gedeckt durch ein amerikanisches Gesetz, dass die Abbildung von Grausamkeit gegen Tiere verbietet, drängen sie auf ein Verbot der Website und eine Strafverfolgung von "Dr. Wong Chang". Das FBI, mutmaßt "Wired", hat sich auf die Verfolgung eines Falles politischer Unkorrektheit eingelassen. Droht den Mitgliedern der Comedytruppe Monty Python bald lebenslängliche Haft? (Spiegel online, 12. Februar 2001)

Hinweis: Pressemeldungen entsprechen nicht unbedingt den Tatsachen und geben daher nicht notwendigerweise die Ansichten von veganismus.de wieder.


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