Gutenberg hat sein Reich in zwei Kellerräumen. In dem vorderen Raum stehen Tuschkästen und Farbtöpfe mit einer dunklen, klebrigen Masse auf dem Tisch. Dazwischen liegen Pinsel, Gummihandschuhe, und Plastikknochen. Das Fleisch lagert im hinteren Raum. Echtes Muskelfleisch vom Rind, Bauchhaut und Venen vom Hirsch. Das braucht Gutenberg heute für die Wirbelsäulenoperation. Er muss einen Rücken mit gebrochenen Wirbeln bauen, und dafür benutzt er - anders als die meisten - nur organisches Material. 'Mit Kunstprodukten kann man nichts anfangen. Eine Gummihaut ist viel zu fest, um sie glatt durchzuschneiden. Und das chirogische Nähmaterial würde bei Plastikvenen reißen', sagt Gutenberg.
In der rechten Hand hält der 48-Jährige eine glibberige, rosa- rote Hirschvene und versucht mit der anderen, einen Plastikschlauch durchzuschieben, durch den später Blut fließen soll. 'Oh', sagt Gutenberg leise, als der Schlauch stecken bleibt. 'Das Tier hat wohl eine Venenverstopfung'. Aber dann hat er Glück. 'Hier ist sie offen.' Stück für Stück zieht er den Schlauch durch. Ekel kennt der Wundenmann nicht. 'Man fragt nicht, ob das ästhetisch ist. Man arbeitet nur mit dem Ergebnis im Kopf.'
Gutenberg will, dass alles so echt wie möglich aussieht. Dazu braucht er nicht nur die richtigen Materialien, sondern auch medizinische Kenntnisse. 'Man muss zum Beispiel wissen, dass es am Rücken gar nicht so stark blutet, wie man denkt', sagt Gutenberg. Sein Wissen hat er sich selbst angeeignet. Er hat vier Semester Medizin studiert, Anatomie-Bücher gelesen und sich Operationen im Krankenhaus angeguckt - aus eigenem Antrieb und auf eigene Rechnung.
Sich auf solche Art weiterzubilden, ist für viele Maskenbildner eine Grundlage. Die nach Schätzungen des Deutschen Bühnenvereins und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten rund 3500 Maskenbildner in Deutschland erhalten zwar eine Ausbildung in verschiedenen Fächern. Vor allem Freiberufler müssten viel selbst machen, Ideen haben und Trends erkennen, erzählt Gutenberg. 'Die Konkurrenz ist sehr groß'.
Gutenberg aber hat seinen Weg gemacht. Er ist selbstständig, hat eine kleine Firma, die Filme mit Kostümen und Maske ausstattet, und er hat den Krankenhausserientrend früh erkannt und darauf aufgebaut. 'Ich bin nicht eitel, aber ich bin schon stolz, auf das, was ich erreicht habe.' (dpa, 19. September 2001)